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Footgolf

Golf de Villars1

 

Die Golfene Generation

Ein paar Genfer Kollegen haben mit Footgolf eine neue Plausch-Sportart erfunden. Vom 6. bis 10. Januar vertreten sie nun die Schweiz an der WM in Buenos Aires. Zu diesem Anlass lest ihr hier unseren Artikel aus ZWÖLF #51.

Text: Silvan Kämpfen / Bilder: Swiss Footgolf

Den Polo-Kragen rückt er noch einmal zurecht, schliesslich wird Etikette auf dem Green in St-Cergue oberhalb des Lac Léman traditionell grossgeschrieben. Rund 80 Meter haben Julián Esteban und seine Mitstreiter zuvor den Ball übers Fairway gedonnert. Jetzt liegt die Kugel da, einschussbereit, wenige Schritte vor dem Loch. Das Runde muss jetzt ins Runde. Putten muss es jetzt, das einstige Supertalent des Schweizer Fussballs.

Doch es ist alles so viel schwieriger, als es scheint. Das Gras hat nicht die gleiche Beschaffenheit wie ein Stadionrasen. Und vor allem neigt sich das Terrain vor dem Ziel. Auf dem Green spielt man das Loch mit ein wenig Effet und genügend Zug an. Geschafft, der Ball versinkt im Boden.

Julián Esteban wurde einst für fast sieben Millionen von Servette nach Rennes verkauft. Gespielt hat er dort so gut wie nie. Mit 26 trat er schliesslich – geplagt von vielen Verletzungen – zurück. Das hier ist sozusagen seine Zweitkarriere. Immerhin erringt er den 14. Rang an der 5. Etappe der Schweizer Footgolf-Meisterschaft – mit insgesamt 61 Schlägen. Wobei es Schläge eigentlich keine absetzt.

In diesem Sport tauscht man das Eisen gegen seinen starken Fuss ein – und den Slazenger 7 gegen einen Spielball Grösse 5. Doch das Prinzip ist genau dasselbe wie beim normalen Golf. Es gewinnt, wer mit den wenigsten Ball berührungen das Leder über die meist 18 Spielbahnen ins Loch befördert, wobei dieses proportional zum Fussball auf 55 Zentimeter Durchmesser vergrössert wird.

In der Deutschschweiz kennt diese Spinnerei kaum jemand. Dabei treiben die Footgolfer schon seit längerer Zeit ihr Unwesen.Es war 1999, als in einem Park in Carouge jemand dem 15-jährigen Julien Babel einen Golfschläger in die Hand drückte. Babel holte aus. Er verfehlte den Ball ein erstes Mal – und ein zweites. «Jamais deux sans trois», sagen die Welschen. Tatsächlich traf er beim nächsten Versuch. Das Spielgerät flog weit, sehr weit – und durchbrach eine Autoscheibe. Julien verfehlte nur knapp ein schlafen des Kleinkind.

Keine Sportart wächst schneller

Das Golfen wollte der Teenager nicht einfach so aufgeben – passte den Sport aber wohlweislich seinen besseren Qualitäten an. Julien zielte mit seinem Fussball auf Bäume, schoss über Teiche, überlupfte Hecken. Immer mehr seiner Genfer Kollegen schlossen sich an. «Es machte einfach unglaublich Spass.»

Heute ist Julien Babel 31, also erwachsen. Aber den kindlich-kindischen Traum vom elitären Arbeitersport lebt er mit seinen Freunden weiter. Babel ist Präsident der 2009 gegründeten Association Suisse de FootGolf und kümmert sich darum, den Sport voranzutreiben: neue Plätze erschliessen, Turniere organisieren, mit Sponsoren verhandeln – und den Leuten ins Bewusstsein rufen, dass es diesen Sport überhaupt gibt. «Ich habe einfach immer allen davon erzählt, selbst dem Kontrolleur im Bus», sagt er lachend.

Jetzt will er tatsächlich mit der grossen Kelle anrühren. Den Job im Weinhandel hat er vor eineinhalb Jahren geschmissen. Nun ist er mit seiner Frau nach Egg im Kanton Zürich gezogen – nur des Footgolfs wegen. «Es ist die am schnellsten wachsende Sportart überhaupt. Wir reiten gerade auf einer Welle, und die sollte man nicht aufhalten. Jetzt wollen wir die Deutschschweiz erobern.»

Tatsächlich erfährt der Sport ein grosses Wachstum, wenn auch in der Schweiz auf bescheidenem Niveau. Nachdem man 2012 in St-Cergue den ersten reinen Footgolf-Parcours eröffnet hatte, erhielt man im ersten Jahr über 3000 Anmeldungen. «Die Anlage war wegen der hohen Nachfrage sehr schnell überlaufen.»Kürzlich eröffnete im jurassischen St-Ursanne ein zweiter Kurs seine Pforten. Daneben erhalten die Footgolfer dann und wann auch die Erlaubnis, sich auf herkömmlichen Golfanlagen herumzutreiben – etwa zu Randstunden, wenn die Anlage gewartet wird oder die reiche Klientel im Büro sitzt.

Die Freude aufseiten der Golfklubs fiel anfangs relativ bescheiden aus, als ein paar Jugendliche fragten, ob sie auf dem peinlich genau geschnittenen und bewässerten Rasen mal eben ein paar 35 Zentimeter tiefe Löcher buddeln dürfen.

Doch mittlerweile hauchen die Footgolfer den Anlagen neues Leben ein. Einige von ihnen greifen dann und wann auch selbst zum Golfschläger. Babel vergleicht die Entwicklung mit jener des Schneesports in den letzten Jahrzehnten. «Die Snowboarder brachten eine neue Klientel auf die Pisten. Und von denen fahren jetzt viele wieder Ski.»

Auch viele Golfklubdirektoren freuen sich mittlerweile über den Besuch dieser Spassvögel. Solange niemand mit Nockenschuhen und zerfledderter Kleidung aufkreuzt und die Riesenlöcher am Ende wieder mit Rasenplatten überdeckt werden, sind sie durchaus willkommen. «Nach den Turnieren trinkt man zusammen ein Bier, aber man benimmt sich wie in einem schönen Restaurant», fasst Babel die Philosophie seines geliebten Sports zusammen.

Vonseiten der Fussballer mussten Babel und seine Freunde anfangs viel Spott über sich ergehen lassen. Einige Profis erfuhren am eigenen Leib, wie schwer das Spiel ist. Neben Julián Esteban haben sich auch Reto Ziegler (Sion), Matías Vitkieviez (Servette) oder Jocelyn Roux (Lausanne) schon im Footgolfen versucht. Roux gewann letztes Jahr sogar ziemlich unerwartet ein Turnier in den Alpen von Villars.

Julien Babel erinnert sich an einen Wettkampf in Frankreich, an dem auch Sylvain Wiltord teilnahm. Der Europameister von 2000 sei erst gerade vom Profifussball zurückgetreten, also eigentlich noch voll im Schuss gewesen. Doch musste er gegen die Footgolfer deutlich Federn lassen. Er brauchte rund zehn Schüsse mehr als der Sieger – eine ganze Menge. «Viele Profis lernen, scharfe Pässe zu spielen, die dann ihr Mitspieler problemlos annimmt», erklärt Babel.

Beim Footgolf müsse man aber nicht nur Spielintelligenz und Technik mitbringen, sondern auch das Gelände gut lesen können. «Es gibt Sand, Wasser, verschiedene Grassorten, da rollt der Ball unterschiedlich weit. Und dann geht es ja häufig auch bergauf oder bergab.» Wie im herkömmlichen Golf gilt die Regel «Play as it lies». Einfach mal so einen Ast zur Seite räumen ist nicht gestattet. Manchmal muss der Ball auch schon mal aus dem Gestrüpp gekickt werden.

Naiv und leidenschaftlich

In den letzten Jahren ist Footgolf internationaler geworden. Auch dank Babel und Co. Sie haben eine Europa-Tour ins Leben gerufen.Das Projekt ist ein grosser Erfolg. 15 Länder machen mit, in jedem wird während des Jahres ein Durchgang gespielt, um den Europa meister zu bestimmen. Der Schweizer Lionel Jacot hat sich so in diesem Jahr den EM-Titel gesichert. Auch im Vorjahr gewann mit David Mancino ein Schweizer.

Im Teamwettbewerb musste sich die Nati dieses Jahr England geschlagen geben – der Footgolf-Nation Nummer 1. Im englischsprachigen Raum hat die Sportart eine andere Dimension erreicht. Wayne Rooney spielt in einem Nike-Werbespot mit Ball am Fuss gegen die Nummer 1 im Golfsport, den Nordiren Rory McIlroy.

1,5 Millionen Menschen sollen im letzten Jahr auf der Welt diesen neuen Präzisionssport ausgeübt haben. In den USA werfen Turniere Preisgelder von 50 000 Dollar ab. In Grossbritannien existieren bereits 250 Anlagen, alleine 21 rund um London. Ganze Golfplätze, welche nicht mehr rentieren, werden aufgekauft und umgebaut. Hierzulande ist das etwas schwieriger: Abgesehen davon, dass es sich kaum jemand leisten könnte, sind auch kaum genutzte Golfplätze in der Schweiz mit viel Prestige verbunden. Die werden sicher nicht einfach so verschachert.

Doch auch in der Schweiz wird dieser Sport noch an Popularität gewinnen. Puma sponsert jetzt die 41-köpfige Nati, von welcher im Januar acht Mitglieder – darunter auch Lionel Jacot und Julien Babel – an die WM nach Argentinien fahren. Und man ist an weiteren Sponsoren dran. Vor allem dank dem Einsatz von Babel. Den gesamten Winter will er dafür aufwenden, der Deutschschweiz Footgolf näherzubringen.

Man mag dem Verbandspräsidenten leichte Naivität vorhalten, doch seine Leidenschaft scheint ungebrochen und ansteckend. Und seien wir ehrlich: Irgendwie sieht das nach einer ziemlich spassig-hipstrigen Angelegenheit aus. Der ZWÖLF-Event 2016 ist jedenfalls gebucht. Bis dahin gehört Julien Babel das Schlusswort: «Wenn sich jemand über deinen grössten Traum lustig macht, dann träum einfach weiter.»

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Lionel Jacot, der aktuelle Europameister, will an der WM ein Wörtchen mitreden.

Mehr über Footgolf erfahrt ihr hier.

Und über den Verlauf der WM in Argentinien wird hier berichtet.

Wer selber Footgolf spielen möchte, kann das hier tun:

  • Golf des Serves, Saint-Genis-Pouilly (F, gleich ennet der Genfer Stadtgrenze). Jeden zweiten Donnerstag und Sonntag ab 17 Uhr. Sonst gegen Anmeldung.
  • Footgolf Basseruche, St-Cergue VD. Mai bis September.
  • Footgolf La Caquerelle, St-Ursanne JU.
  • In Planung für 2016: Rastenmoos, Neuenkirch LU.