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Richard Nuñez

Diesen Loyalitätsbekundungen schenkten längst nicht alle Fans Glauben. Wiederholt machten Gerüchte über angebliche Abwanderungsgelüste des Uruguayers die Runde. Selbst beim FC Basel zweifelt man an seinen Worten (siehe Box). Im Lager der GC-Supporter hoffte man, Núñez’ Befindlichkeit würde sich bessern, als sich der Klub die Dienste seines Landsmannes Gerardo Morales sicherte. Núñez versichert, nichts von dem Transfer gewusst zu haben, der heute als einer der grössten Flops der Vereinsgeschichte gilt. Weil zur selben Zeit ein schwarzer Hüne namens Richard Morales Uruguay mit zwei Toren an die WM schoss, titelte der «Blick» scherzhaft: «GC kaufte falschen Morales». Núñez erinnert sich: «Trainer Zaugg fuchtelte bei Gerardos Ankunft mit den Händen und zeigte, dass etwas nicht ‹stimmte› mit der Grösse und der Hautfarbe.» Offenbar wollte GC tatsächlich den bulligen Stürmer verpflichten statt des Núñez-Verschnitts Morales.

nunez2Wortkarg oder scheu gibt sich der frischgebackene Pensionär im Gespräch keineswegs. Am liebsten erzählt er von den Finalissimas, wo er besonders auftrumpfte: ebendiesem 4:0 in St. Gallen, dem 5:4 in Basel oder dem legendären 6:5 im Cup-Halbfinal gegen den FCZ. Bald wird klar, dass Tore seit je seine besten Argumente sind – und vielleicht auch manches kaschieren. Umso mehr bei den ihm nachgesagten divenhaften Allüren. Bei Atlético Madrid (2005) oder beim mexikanischen Nobelklub América (2008) traf er kaum, galt schnell als grosser Fehleinkauf und wurde flugs weitergereicht. In seiner Karriere stellte sich früher oder später die Erkenntnis ein, dass Tore allein eben doch nicht ausreichen. Denn auch dort, wo er dank seiner Treffer seinem Arbeitgeber zu sportlichen Höhenflügen verhalf – wie bei GC oder Cruz Azul in Mexiko –, hinterliessen seine Engagements einen sehr schalen Nachgeschmack.

Núñez verfrühter Abgang aus Zürich gibt noch heute Rätsel auf. Ihm hätten ein Fixlohn von 400‘000 Franken und die Prämien von 200‘000 nicht genügt, hiess es in den Medien. Mit mehr Lohn hätte er besser gespielt, soll er dem damaligen GC-Präsidenten Walter Brunner an den Kopf geworfen haben, als es nicht mehr lief. «Viele Unwahrheiten sind über mich verbreitet worden», klagt Núñez heute. Jetzt, zehn Jahre später, will er seine Sicht der Dinge erzählen.

Was war schlussendlich der Grund für deinen Weggang von GC, der mit vielen Nebengeräuschen erfolgte?
Während meiner ganzen GC-Zeit erhielt ich keine Lohnerhöhung, keine Prämie, nichts. Obwohl ich zweimal Torschützenkönig wurde und auch wesentlich zu den zwei Meistertiteln beitrug. Ich forderte sonst ja nie etwas, dies müssen mir die GC-Fans glauben. Aber als es zu den Vertragsverhandlungen kam, sagte ich den Verantwortlichen, ich sei ja nicht Inters Ronaldo und verlange eine Lohnerhöhung von 10 Millionen. Doch nach allem, was ich für GC getan hatte, erwartete ich ein Minimum an Anerkennung. Ich schickte meinen Vertrag auch einer Vertrauensperson, die diesen als lächerlich bezeichnete – gerade auch im Vergleich zum FCB. Rückblickend war ich mir wohl auch der Krise bei GC zu wenig bewusst.

Wie fühltest du dich, als dein Abgang bei GC Tatsache war?
Entgegen allen Meinungen hatte ich zu jenem Zeitpunkt keinen anderen Verein und blieb zwei Wochen in Zürich. Bei meiner Vertragsauflösung unterschrieb ich gar eine Klausel, die mir untersagte, in den folgenden 30 Tagen bei einem anderen Klub in Europa zu unterschreiben. Aus dem Nichts kam das Angebot von Atlético Madrid, und ich bezahlte die 50‘000 CHF Busse aus meiner Tasche an GC. Als ich dann bereits in Madrid war und dringend Papiere und Unterschriften von GC brauchte, war die Vereinsleitung für mich nicht mehr erreichbar. Dieses Verhalten hätte ich nie erwartet. Das konnte ich mir einfach nicht erklären, alles war unlogisch.

Núñez will auch betont haben, dass er eigentlich bei GC bleiben wollte, den Vertrag gerne erfüllt hätte. Doch er sei ein Spielball von Aussagen und Interessen verschiedener Berater geworden. Er sei sozusagen zum Weggang aufgefordert worden. Christoph Spycher muss schmunzeln, als er von diesen Erklärungsversuchen hört. «In der Nachbetrachtung weiss Richard wohl, was er an GC hatte, weil er andernorts schlechte Erfahrungen machte. Aber damals, da wollte er eben schon unbedingt weg.» Núñez sei ganz bestimmt nicht an seinen Qualitäten gescheitert, sagt Spycher. Doch der Fussball habe sich schon damals immer mehr zum Kollektivsport entwickelt, wo jeder offensiv und defensiv mithelfen müsse. Der 47-fache Natispieler findet es deshalb nicht erstaunlich, dass sein Ex-Kollege später bei einem Grossklub wie Atlético Madrid gerade mal 11 Spiele bestreiten durfte.

Ja Richard, wie hattest du es mit der Defensivarbeit?
Ich wusste damals doch, dass GC das beste Team war. Vor allem gegen die kleineren Teams sparte ich mir Laufwege, auch wenn es nur ein Meter war. Es war mir klar, dass ein Mitspieler für mich arbeitet. Hinter mir waren Wuschu, Cabanas, Tararache und vor allem der junge Lichtsteiner. Mal im Ernst: Soll man von einem Spieler, der so viele Tore schiesst wie ich, auch noch erwarten, dass er hinten aushilft? Das verstehen die Fans nicht, aber die Teamkollegen schon.

«Je länger Richard in der Schweiz war, desto mehr wurde er zum Individualisten», konstatiert ebendieser «Wuschu» Spycher. In der Garderobe sei Núñez – trotz mangelnder Deutschkenntnisse – prima aufgehoben und immer für Spässe gut gewesen. Aber auf dem Rasen war er mit der Zeit nicht mehr unumstritten. «Wenn du als Mannschaft ihm den Ball nach vorne bringst und er es dann nur noch alleine probiert, weil er gerade seit ein paar Spielen kein Tor gemacht hat, dann wird es problematisch», führt der Berner aus. Hinter vorgehaltener Hand bekundeten auch schon andere Ehemalige aus diesem hervorragend besetzten GC-Kader Mühe damit, dass die Meistertitel in erster Linie dem Individualisten Nuñez zugeschrieben wurden.

Vertreter aus halb Fussballeuropa sassen damals auf der Haupttribüne im Hardturm. Ein konkretes Angebot für seinen Star lag GC aber sehr lange keines vor. Offensichtlich waren die mannschaftsinternen Probleme auch von aussen gut ersichtlich. Sicherlich litt Núñez auch unter schlechtem Einfluss seiner Berater. Es gibt da die Geschichte, als sich der Uruguayer von Sponsor Ford einen neuen Sportwagen aussuchen konnte. Wenige Wochen später habe sich der Berater lauthals darüber beschwert. Es könne doch nicht sein, dass der GC-Star in einem so kleinen Auto herumfahren müsse. Im Gespräch wirkt der einstige GC-Star tatsächlich alles andere als abgehoben, auch wenn er mehrmals betont, wie sehr er sein Auto aus der Schweiz vermisse. Aber etwas naiv wirkt er sehr wohl. Die Vorstellung, dass ihm ein raffgieriges Umfeld die Sinne zu vernebeln wusste, hat ihre Berechtigung.

Unter diesen Vorzeichen kam es auch zum Eklat mit Marcel Koller. Heute lobt Núñez den Meistertrainer von 2003 als «grossartigen Trainer» – im Gegensatz zu Alain Geiger. Alt sei Koller geworden, sagt Núñez lachend und erinnert sich, wie dieser ihm stundenlang Videosequenzen von seinem Spiel zeigte und einzig mit den Worten «Richard sí» oder «Richard no» kommentierte.

Núñez kommunizierte da ebenso eindeutig. Als er im Herbst 2003 im Cup gegen YF Juventus nicht von Anfang an spielen durfte, weigerte er sich, auf der Bank Platz zu nehmen. Sofort fühlte er sich in solchen Situationen als Opfer. Carlos Bernegger, damals Co-Trainer, musste ihm mehrmals klarmachen, dass Koller nichts persönlich gegen ihn habe, wenn er ihn in einem Cupspiel gegen einen Unterklassigen nicht aufstelle. Heute rechtfertigt Núñez sein launisches Verhalten so: «Auf der Ersatzbank fühlte ich mich einfach nur schlecht. Denn zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich nicht für mein Geld.» Ein Beleg dafür, dass in seiner Welt das Team nicht immer im Mittelpunkt stand.

Das liebe Geld verkam damals bei GC ohnehin zum grossen Thema. Plötzlich war es nicht mehr im Überfluss vorhanden. Präsident Brunner überzeugte den Kader zu einem finanziellen Solidaritätsakt: Lohnreduktion für alle. Trainer Latour ärgerte sich öffentlich, dass Núñez nicht mitziehen wollte. Spycher sagt, das habe er nicht so in Erinnerung. Und Núñez selbst sieht es ohnehin – wie so oft – noch einmal ganz anders: «Alle Löhne wären um 30 bis 40 Prozent reduziert worden, ausser meiner. Ich habe dies abgelehnt und gesagt, das sei völlig inakzeptabel.» In so einem Klub habe er nicht bleiben wollen. Im Januar 2005 wurde sein Vertrag per sofort aufgelöst.

GC sollte nicht der letzte Verein sein, von dem er sich im Zwist trennt. In Mexiko wechselte der bei Cruz Azul und vor allem bei Pachuca gefeierte Super-Richard zum verhassten Stadtrivalen América und liess kurz vor dem Derby öffentlich verlauten, dass sein neuer Klub schlicht besser sei. Die Hasstiraden waren ihm damit gewiss. Und als ihn América schliesslich in die Provinz nach Puebla abschieben wollte, verzettelte er sich in einen jahrelangen Rechtsstreit.