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Maradona

Diego und die Schweiz

Diego Armando Maradona verzückte die Fussballfans auf der ganzen Welt. Auch Schweizer Mannschaften machten ihre Erfahrungen mit den Künsten des kürzlich verstorbenen Superstars.

 

16. Dezember 1980, Estadio Olímpico Chateau Carreras, Córdoba
Argentinien – Schweiz 5:0
«Man muss objektiv sein: Es wird sehr schwer werden für uns», sagt René Botteron vor dem Spiel. Die Nati trifft im Rahmen ihrer Südamerika-Tour auf den amtierenden Weltmeister – und erstmals auf Diego Armando Maradona. Botteron kommt die zweifelhafte Ehre zu, den Jungstar in Manndeckung zu nehmen. Schon kurz nach dem Anpfiff steht es 0:1: Maradona hat seinen Gegenspieler gleich mehrfach vernascht und flankt schliesslich hinter seinem Standbein hindurch auf Rámon Diaz, der nur noch einzunicken braucht. «So etwas hatten wir noch nie gesehen! Der Ball kam wie eine Rakete in den Strafraum!», erzählt Roger Wehrli in ZWÖLF #52.

Zur Halbzeit heisst es dank Torhüter Burgener nur 0:4. «Maradona hat uns so auseinandergenommen, dass Botteron in der Pause seine Schuhe abgeben wollte», so Wehrli. Heinz Lüdi, der sich auch noch als Bewacher der Nummer 10 versuchen darf, bleibt nicht einmal das Trostpflaster, wenigstens deren Trikot zu ergattern. Diego gibt es nicht her.

 

1. April 1986, Hardturm, Zürich
Grasshoppers – Argentinien 0:1
Im Training am Vortag des Spiels beschränkt sich Diego Armando Maradona nicht auf seine technischen Einlagen. Er stellt sich sogar ins Tor und glänzt mit einigen Paraden. Auf den Gegner angesprochen meint er: «Die Grasshoppers sollen eine sehr gute Mannschaft sein. Ich kenne nur einen einzigen Spieler, Raimondo Ponte».

Die 5500 Zuschauer im Hardturm und die Tausenden vor den Fernsehern in Südamerika – die Partie wird in zwölf Ländern live übertragen – freuen sich auf das grosse Spektakel. Vergeblich. Nach vielen Testspielen in kurzer Zeit und mässigen Ergebnissen beschränkt sich die Albiceleste darauf, den Sieg gegen In-Albon, Andermatt, Gren, Sulser und Co. einzufahren. Das einzige Tor auf dem schlammigen Rasen fällt in der 78. Minute – und Maradona ist nicht einmal beteiligt.

 

6. Juni 1987, Sportanlage Wisacher, Regensdorf
FC Regensdorf – Argentinien 0:9
Der Anruf überrumpelt den Zürcher Zweitligisten: Ob er in zwei Tagen ein Freundschaftsspiel bestreiten wolle? Ja, klar! Denn zum Test bittet … Weltmeister Argentinien. Ja, klar! Die Albiceleste weilt tatsächlich in einem Regensdorfer Hotel und sucht noch einen Sparringpartner vor dem Testspiel gegen Italien im Hardturm. «Wir sahen keinen Sack!», erinnert sich Alain Panier in ZWÖLF #75. Der heute 52-Jährige bekommt es damals im Mittelfeld mit Claudio Caniggia zu tun. Doch ein ums andere Mal zieht der rechte Flügel an ihm vorbei. Dem vereinseigenen Junior bleibt jeweils bloss der Blick zurück. «Am Schluss hatte ich Halskehre!»

Stoppen kann Caniggia nur einer: Carlos Bilardo. Wiederholt unterbricht Argentiniens Trainer die Partie mit eigener Pfeife, um Anweisungen zu geben. «Den Ball berührten wir eigentlich nur, wenn es nach einem Gegentor Anstoss gab.» Das passiert dem FC Regensdorf neunmal. Nach dem 9:0 posiert der geschonte Diego Armando Maradona für Fotos. Weltmeisterlich!

Vier Tage später beehrt Maradona dann doch noch auf Schweizer Rasen. Auf dem Hardturm spielt Argentinien gegen Italien, seine zweite Heimat und Gastgeber der nächsten WM. Organisiert wurde die Partie von der FIFA. FIFA-Präsident João Havelange und Generalsekretär Sepp Blatter treten zusammen mit Pelé aufs Feld, der Maradona wie einem Sohn durch die Haare fährt und den Anstoss ausführt. Die Albiceleste ist gegen die Azzurri deutlich unterlegen, die grosse Mehrheit der Zuschauer freuts. An der WM selber kommt es dann zur Revanche: Argentinien schlägt Italien im Halbfinal, Maradona trifft im Penaltyschiessen – in Neapel.

 

17. Oktober 1989, Stadion Letzigrund, Zürich
Wettingen – Napoli 0:0
Der FC Wettingen hat im UEFA-Cup das grosse Los gezogen: den SSC Napoli mit Diego Maradona kommt. Am Morgen des Hinspiels nimmt der Weltmeister vor dem Tribünencafé der Wettinger Altenburg sein Frühstück ein und geht dort ins Training. Beim Match selber im Letzigrund erreichen die Aargauer mit Jörg Stiel im Tor ein respektables 0:0, Maradona bleibt blass.

Als genial erweist sich an diesem Abend vor allem die Aktion des Schweizer Trikotherstellers Blacky. Dieser hat Maradonas Manndecker Jan Svensson extra mit einem Trikot ausgestattet, das nicht den Schriftzug von Sponsor Continental trägt, sondern jenen von Blacky. Mehr Sichtbarkeit geht nicht – schliesslich fangen die Kameras die Nummer 10 von Napoli und damit deren Gegenspieler am meisten ein. Svensson bestätigt die Geschichte später in ZWÖLF #32. Übers Geschäft freuen tut sich auch die Boutique Beyer an der Bahnhofstrasse, wo Maradona zehn Uhren gekauft haben soll. Im Rückspiel im Stadio San Paolo ist Napolis Zehn intern gesperrt. Die Italiener kommen dank einem 2:1 weiter, der maltesische Schiedsrichter hat mit einem erfundenen Penalty nachgeholfen.

 

6. Mai 1990, Stadion Lachen, Thun
FC Thun – Argentinien 0:5
Schon beim Training sind 500 Leute mit Kameras dabei, die Partie im Stadion Lachen lockt immerhin 2500 Schaulustige an (Eintrittspreis: 5 Franken), alle wollen sie Maradona sehen. Doch eine wichtige Person fehlt, als Maradonas Team loslegen will: Schiedsrichter Kohli aus Thörishaus. Einmal mehr muss also Trainer Bilardo zur Pfeife greifen. Die überragende Nummer 10 eröffnet in der 9. Minute das Skore. Dass Maradona nicht das Letzte aus sich herauszuholen gedenkt, erkennt man an der Tatsache, dass er sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, sich die Schuhe zuzubinden.

0:5 heisst es nach den vereinbarten 60 Minuten, doch der 1.-Ligist will festgehalten haben, dass mehr drin gelegen wäre. «Wir haben natürlich darauf geachtet, dass wir den Maradona nicht verletzen. Nicht auszudenken…», meint Verteidiger Hugo Streun nach dem Spiel gegenüber dem «Thuner Tagblatt». Wie zuvor seine Gegenspieler lässt Maradona nach dem Schlusspfiff auch die Autogrammjäger eiskalt stehen.


8. Mai 1990, Stadion Wankdorf, Bern
Schweiz – Argentinien 1:1
Der Weltmeister kommt! Doch die Euphorie bleibt aus: Nur gerade 1500 der 60’000 Karten gehen im Vorverkauf weg. Schliesslich sind es immerhin 10’000, die das Auftaktfurioso von Diego Maradona erleben. Er verteilt die Bälle mit Spitze, Hacke und Aussenrist … und macht danach – wie auch seine Teamkollegen – nur noch das Allernotwendigste. Die NZZ vermerkte, der Weltmeister sei ein «möglichst geringes Tempo» gegangen und habe «mit läuferischem Aufwand gegeizt».

Ein Pass von Diego auf Balbo reicht zur Führung, doch Kubilay Türkyilmaz – für Maradona reiste sogar er für ein Testspiel an – gleicht in der 89. Minute aus. Und die NZZ resümierte, dass Argentinien trotz dem «Pibe de Oro» mittlerweile sehr «europäisch» spiele.