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Anglo-American Club Zürich

The Chemical Brothers

Unter der Woche Vorlesungen besuchen, an den Wochenenden Kantersiege einfahren: So lebten die Spieler des Anglo American Football Club, des ersten offiziellen Schweizer Meisters. Eine längst fällige Spurensuche bei einem Mysterium.

Erschienen in ZWÖLF #51 (November/Dezember 2015)

Text: Saro Pepe

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Der erste offizielle Schweizer Meister: Die Mannschaft des Anglo-American Club Zürich. Stehend: Sharman, Smith, Engelke, Devat. Kniend: Forgan, Butler (Captain), Cotton. Sitzend: Morris, Levinstein, Collinson, Gandolfi, Bachelor.

 

Es war wirklich zum Verzweifeln. Sie hatten alle Hebel in Bewegung gesetzt, um endlich auch in der Fremde dem in der Heimat bereits populären Fussballsport frönen zu können. Die mehrheitlich englischen Studenten hatten sich zu einem Verein formiert, ja sie waren gar bei der Gründungsversammlung der Schweizerischen Football-Association (SFA) dabei, damals im April 1895. Auch ein Platz wurde gefunden, wenngleich die zürcherische Allmend keineswegs ideal war. Denn es konnte vorkommen, dass «die Spieler beständig 1–2 kg Kot mit sich an den Füssen herumschleppten. Dazu kamen im ganzen Platz frisch aufgeworfene, bis 20 cm hohe Maulwurfshügel.» Aber immerhin: Es war eine Heimstätte, die bald «Anglo-Platz» genannt wurde. Und jetzt dies: «Durch Erlass der Militärdirektion des Kantons Zürich ist es bis auf Weiteres verboten, auf dem Waffenplatz Allmend zu spielen», wie das «Sportblatt» berichtete. Mitten in der Meisterschaft, der allerersten Schweizer Meisterschaft überhaupt!

Im Zeitalter des Mobilfunks mag um eine kurzfristige Verschiebung kein grösseres Aufsehen gemacht werden. Im ausgehenden 19. Jahrhunderts hingegen war die ständige Erreichbarkeit noch nicht einmal Wunschdenken. Über das auf den Vormittag vorverlegte Spiel gegen den FC Basel im Februar 1899 konnte man im Nachzug lesen: «Die Anglos, die ihre Leute nur noch zum Teil hatten benachrichtigen können, waren infolgedessen, als das Spiel begann, nur 7 Mann, die erst im Verlauf des Spiels sich auf die volle Elf ergänzten; auch in Basels Mannschaft waren Ersatzleute, da einige erst mit einem späteren Zuge eintrafen; die bestellte Referee war nicht zur Stelle, weil sie auf den Nachmittag bestellt war, das Publikum bestand aus ca. 10–20 Zuschauer!! Unter solchen Umständen dürfte schon lange kein so wichtiger Match mehr gespielt worden sein.» Trotz aller Hindernisse: Das Spiel wurde zu einer Demonstration der Überlegenheit der Engländer aus Zürich. 10:0 gewann der Anglo American Football Club, wobei alleine ihr «Center Forward» Collinson 8 Tore erzielte. Spätestens da war klar, dass die Anglos auf ihrem Weg zum Titel nicht aufzuhalten sein würden.

Als der Fussball in England ab 1870 einen unerhörten Zuwachs an Popularität erfuhr, erstreckte sich das britische Empire über fast ein Viertel der Erdfläche. Engländer lebten in allen Teilen der Welt, besuchten dort Universitäten und Privatschulen, und viele suchten nach Möglichkeiten, auch als Expats ihrer neuen Leidenschaft nachzugehen. Die beste Möglichkeit dafür war, einen Verein zu gründen, um sich in Meisterschaften zu messen. Davon wurde in der britischen Heimat bereits eifrig Gebrauch gemacht. 20 Jahre nach der Gründung des englischen Fussballverbandes existierten bereits über 1000 Vereine auf der Insel. Diese Idee trugen die Briten nun in die Welt hinaus. Vor allem in Südamerika und Europa waren sie massgeblich daran beteiligt, dass die Anzahl der Klubs rasant anstieg. Auch in der Schweiz: Gut die Hälfte der Gründungsvereine des Fussballverbandes hatte englische Wurzeln. Keiner davon wies diese allerdings so klar aus wie der Anglo American Football Club, der die Schweizer Meisterschaft so dominierte wie nach ihm kein zweiter Verein mehr. Und in der Folge so schnell verschwand, dass die Spuren kaum mehr zu finden waren.

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