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GC-Family

Der Familienstadl aus der Retorte

Erschienen in ZWÖLF #47

Es hat viele umstrittene Familien im Schweizer Fussball gegeben. Keine aber wurde so verspottet und verhöhnt wie sie: die GC-Family. Zu ihrem Erfinder ist das nicht vorgedrungen. Er hält die Imagekampagne für einen Riesenerfolg und wettert gegen Apparatschiks und Kurvenfans.

Text: Nikolas Lütjens

Es brauchte in den Nullerjahren wenig, um GC-Fans die Schames- oder Zornesröte ins Gesicht zu treiben. Eigentlich genügten drei aneinandergereihte Vokale: E – O – E. Dann lief der Film im Kopfkino von alleine ab. In den Hauptrollen: eine frisch vermählte Braut, Kinder mit Teddybär, ein Hochglanz-Alpöhi, ein Mann im Schottenrock, ein Quoten-Kuttenfan und andere Figuren aus der Retorte. Sie alle schunkelten einträchtig zu einem Song – ihrem Song: Eoe, eoe GC-Family!

«Ouh», entfährt es GC-Pressechef Adrian Sutter. Der Schmerz der Erinnerung zerrt leicht an seinem Gesicht. «Das Lied habe ich verdrängt.» Sutter steht nach einer Pressekonferenz in einem Sitzungszimmer des Hotels Renaissance. Die Wahl des Ortes soll programmatisch verstanden werden. Weiter vorne im Saal spricht der neue Trainer Pierluigi Tami mit Radio-Journalisten über die Werte, die er dem Team vermitteln will. In einer Ecke referiert Sportchef Axel Thoma im kleinen Kreis über den Kulturwandel bei GC, für den er und Tami angeblich stehen.

 

Magro, Miró und die Alten

Ein anderes Image strebte der Grasshopper-Club ab der Saison 2002/03 auch mit der GC-Family an. «Man wollte weg vom Elitären und mehr in die Breite», sagt Stefan Huber. Der ehemalige Nationaltorhüter besass im Verein nach dem Karriereende einen Anschlussvertrag und war zu Beginn mit einem 50-Prozent-Pensum Promoter der GC-Family. Einer ihrer geistigen Väter ist Hermann Strittmatter. Der bekannte Werber sass über eine Dekade im Vorstand der GC-Fussballsektion, so auch in den Jahren, als der Klub von Credit-Suisse-Chef Rainer E Gut und Roche-Präsident Fritz Gerber alimentiert wurde. Die beiden Topmanager kamen 1999, sahen – und verspielten je nach Quelle zwischen 75 und 100 Millionen Franken. «Die gleichen Leute, die in der Wirtschaft vernünftig sind, werden bireweich, sobald sie im Vorstand eines Fussballvereins sind», bringt es Strittmatter gewohnt scharfzüngig auf den Punkt. Etwas subtiler drückte es GC-Fan Res Strehle in der Frühphase der fünfjährigen Ära aus. «Die noblen Herren scheinen an ihrem Magro so viel Freude zu haben wie einst an Miró», schrieb der jetzige Chefredaktor des «Tages-Anzeigers» in der «Weltwoche».

Doch Gut ging es offenbar nicht nur um das Bild, das der Klub auf dem Platz abgab. «Er wollte mehr Leben, junge Fans, Mädchen und Familien im Stadion», erinnert sich Strittmatter. Der Werber kreierte deshalb zusammen mit dem umtriebigen Mitgliederverantwortlichen René Chalverat die GC-Family. «Es fehlten die Jungen. Der damalige Mitgliederbestand war überaltert», sagt Chalverat. An Geld für die von Strittmatter gestaltete Imagekampagne mangelte es nicht. Die Family forderte die Leute von zahlreichen Stellwänden auf, mit ihr «raus aus dem Alltag» zu kommen, warb im Radio und hatte sogar ihre eigenen Fernsehspots. «Bei GC wurde so viel Geld in die Kampagne gesteckt. Da muss man sich schon fragen: Macht das Sinn?», sagt Ex-Nationaltorhüter Huber rückblickend.

 

Birchermüesli statt Kaufleuten

Zumindest das in PR-Angelegenheiten oft entscheidende Timing stimmte. GC lag in der Saison 2002/03 von Beginn weg an der Spitze und wurde am Schluss Meister, einen Punkt vor dem aufstrebenden FC Basel. Weniger gelungen fanden viele die Umsetzung der Family-Kampagne. «Wir wollen ein liebenswürdiges, fröhliches und auch ein wenig ein schräges GC darstellen», sagte Strittmatter 2003 in einem Beitrag des Schweizer Fernsehens. «Ein schräges GC? Das habe ich nie gesagt», behauptet Strittmatter nun. Darauf aufmerksam gemacht, dass die Fernsehsendung im Internet abrufbar ist, antwortet er: «Dann muss ich übermüdet gewesen sein.»

Schräg fand in der Tat niemand die zusammengewürfelte Hochglanz-Truppe. Im Gegenteil. Früh wurde sie von anderen Werbern als biedere Familie Birchermüesli verunglimpft. Und für einmal hatte das wenig mit Futterneid zu tun. Denn die Mitgliederaktion war von Beginn an mehr als nur umstritten – extern wie intern. «Die Idee, Familien anzusprechen, und in die Breite zu gehen, fand ich gut», sagt Huber. «Ich hatte dann aber relativ schnell grosse Mühe mit der Kampagne. Es ging zu sehr ins Kindliche.» Strittmatter widerspricht: «Wenn sie Kinder und Mütter ins Stadion holen wollen, dann können sie nicht mit einer Kaufleuten-Szenerie werben.»

Seine GC-Family sah für jede Altersgruppe eigene Gefässe vor. Erfolg hatte die Mitgliederaktion aber vor allem bei den Jungen. «Das Wachstum bei den 6- bis 12-Jährigen war sehr gross. Sie wurden durch moderate Beiträge an den Klub gebunden», sagt Huber. 10 Franken pro Altersjahr bis 30 kostete die Mitgliedschaft, 300 Kinder und Jugendliche stiessen nach Schätzungen des ehemaligen Promoters über die Family zu GC. Auch Angebote wie der Kindernachmittag im Hardturm wurden gut genutzt. Bei den Erwachsenen war der Zulauf prozentual geringer. Schlimmer noch: Die meisten lehnten das künstliche Image ab, teils vehement. Die Fanklubs aus der Kurve kritisierten die «lächerlichen Werbespots» und die an einen Kindergärtner-Verein gemahnende Aufmachung. Ausserdem sei es nicht Aufgabe des GC-Vorstands, Anhänger in einer fanklubähnlichen Organisation zusammenzufassen. «Die GC-Family ist meine einzige schlechte Erinnerung an den Hardturm», sagt Sutter, ehemals Vorstandsmitglied des Fanverbunds IG GC Zürich. Bei den gegnerischen Anhängern verkam Rekordmeister GC wegen der «Fäämelii» schnell zur Lachnummer. Die FCZ-Rocker von XLarge verhöhnten den Stadtrivalen gar auf TeleZüri, indem sie grinsend die Erkennungsmelodie sangen: Eoe, Eoe, GC-Family!